Die "Führerspende"

Kunstobjekte aus dem Zentraldepot in der Neuen Burg in Wien, die nicht für das Führermuseum in Linz vorgesehen waren, wurden auf Betreiben Hitlers an österreichische Museen verteilt.[1] Die Entscheidung über die Zuteilung der beschlagnahmten Kunst- und Kulturgüter an einzelne Museen traf Hans Posse, der Sonderbeauftragte für Linz, wobei die Vorentscheidung jedoch in der Zentralstelle für Denkmalschutz fiel.[2]

Umgehend deponierten die staatlichen Sammlungen in Wien sowie die Landesmuseen ihre Wünsche nach Zuteilung von Kunst- und Kulturgütern. Fritz Dworschak, von 1938 bis 1945 Erster Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien, meinte, dass es sich bei der Verteilung der beschlagnahmten Kunstwerke um eine einzigartige, nie wiederkehrende Gelegenheit einer Erweiterung [...] auf sehr vielen Gebieten handle.[3] Nicht selten traten die MuseumsdirektorInnen oder KustodInnen persönlich an die Zentralstelle für Denkmalschutz heran, um bestimmte Kunstwerke für ihre Sammlungen zu bestellen.

Hitlers dezidiertes Ziel war es, vor allem die Museen in den Landeshauptstädten und kleinere Regionalmuseen durch die Führerspenden aufzuwerten und damit gleichzeitig die Vormacht der Museen in Wien zu schwächen.[4] Dies verstärkte die schwelende Rivalität zwischen den Landesmuseen und den großen staatlichen Sammlungen in Wien. Alle Häuser hatten Interesse, Lücken in ihren Beständen aufzufüllen oder einzelne Hauptwerke zu erwerben. In den Ländern waren auch hohe NS-Funktionäre besorgt, bei dieser Vergabe der Kunstwerke - trotz der Unterstützung Hitlers - zu kurz zu kommen. So war der steirische Reichsstatthalter darüber aufgebracht, dass die Steiermark bei der Aufteilung der beschlagnahmten Kunstwerke aus jüdischem Besitz [...] schwer benachteiligt worden war.[5]

[1] Vgl. Theodor Brückler, Kunstwerke zwischen Kunstraub und Kunstbergung: 1938 – 1945, in: Theodor Brückler (Hg.), Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis heute, Wien-Köln-Weimar, 1999, S. 23f. (im Folgenden zit. als: Brückler, Kunstraub und Kunstbergung).

[2] Im Jahr 1940 wurde die Zentralstelle für Denkmalschutz in Institut für Denkmalpflege umbenannt, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand daraus das heutige Bundesdenkmalamt (Anm. d. Red.).

[3] Zit. nach: Herbert Haupt, Jahre der Gefährdung. Das Kunsthistorische Museum 1938 – 1945, Wien, 1995, S. 18.

[4] Vgl. Gabriele Anderl, Alexandra Caruso, Einleitung, in: Gabriele Anderl, Alexandra Caruso (Hg.), NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, Innsbruck, 2005, S. 13.

[5] Schreiben des Reichsstatthalters in der Steiermark vom 19. Oktober 1940, Wien, Bundesdenkmalamt, Archiv, Restitutionsakten, Karton 8, Mappe 7, Zl. 2973/K/40; Zit. nach: Brückler, Kunstraub und Kunstbergung, S. 24, Anm. 50.